Bremerhaven Interview –  Jonas & Fiona

Wir haben unseren Projektpartnern in Bremerhaven ein paar Fragen gestellt, um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, was man dort erwarten kann. Es ist auch ein wertvoller Einblick in die organisatorischen Aspekte der Camps!

Das Projekt WERK in Bremerhaven ist eine gemeinwohlorientierte Initiative, die einen Altbau von 1905 mit circa 1100 qm in ein modernes Zentrum für Kultur, Kreativität und Nachhaltigkeit umbauen möchte. Der Hausverein WERK e.V. will hier einen Treffpunkt und Austauschort zum Leben und Arbeiten schaffen. Es wird ein Café im Erdgeschoss geben und offene Werkstätten in den Hinterhofgaragen. Auf den weiteren Etagen entstehen Wohn- und Arbeitsräume für AkteurInnen der Kultur- und Kreativwirtschaft. Bereits jetzt finden Workshops, Aktionstage und Bildungsangebote für handwerkliche Themen und alltagsnahe Nachhaltigkeit statt. Bei der Sanierung sollen möglichst viele Bauteile wiederverwendet und ansonsten ökologische Materialien eingesetzt werden. Dieses Jahr stehen Abriss- und Mauerarbeiten, Putzarbeiten, Abschleifen alter Holzböden, Streichen mit Kalkfarbe auf dem Programm, um das Haus Schritt für Schritt wieder herzurichten.

Könnt ihr uns ein wenig über euch selbst erzählen und was euch motiviert hat, euch bei WERK zu engagieren?

Wir haben das Projekt WERK. 2021 gestartet, um in einer gemeinschaftlichen Art und Weise einen Raum für Zukunft und für junge Menschen in Bremerhaven zu erschließen. Wir sind Fiona, gebürtige Bremerhavenerin in den späten 20ern, die die Schule frühzeitig verlassen hat, um direkt wichtige Angebote in der Stadt zu gründen: das Wohnzimmercafé findus, den Unverpacktladen Glückswinkel und dann auch das WERK.
Jonas, zugezogener Mittvierziger, der sich für Lernprozesse, Handwerk und Selbstorganisation interessiert und mit dem WERK. die Möglichkeit hat, diese Themen an einem konkreten Ort zu bearbeiten. Wir hatten beide keine Erfahrung mit Bauen und Altbaugebäuden und lernen über unsere Aktivitäten jeden Tag dazu.
Die Motivation liegt für uns im gemeinschaftlichen Prozess selbst und den Dingen, die man damit erreichen kann. Die Freude und der Spaß, der aus dem gemeinsamen Machen entsteht und der Veränderung, die schrittweise für den Standort Bremerhaven dadurch passiert.

Was war der Moment, in dem ihr wusstet, dass WERK der richtige Ort für dieses Projekt ist?

Es gab nicht den einen Moment dafür. Es ist ein fortschreitender Prozess, der uns immer wieder zweifeln und dann auch wieder freuen und uns hoffen lässt.

Welche persönlichen Erfahrungen habt ihr gemacht, die eure Arbeit im WERK besonders prägen?

Baulich betrachtet: einem Gebäude so tief “ins Herz” zu schauen, und zu verstehen, dass es nur aus einzelnen Steinen besteht, die alle verändert werden können. Das Gebäude steht trotzdem und kann Stein für Stein verändert werden.
Und die schöne Verbindung von ökologisch-traditionellen Techniken wie Lehmbau und Arbeiten mit Kalk – die arbeitsintensiv sind, aber nicht kompliziert. Sie lassen sich gut durch Erfahrung lernen, das passt zu den Baucamps.


Fragen zu Bauorden und dem ersten Workcamp:

Wie habt ihr von Bauorden erfahren und was hat euch daran besonders interessiert?

Ich habe über einzelne Personen und das Projekt BARAC in Mannheim davon erfahren. Da wir davor schon mit Freiwilligen vor Ort gearbeitet hatten und auch über die Plattform Work Away gute Erfahrungen gemacht haben, war das Baucamp ein logischer Schritt um mehr Teilhabe am Bauprozess zu ermöglichen und selbst etwas dazuzulernen.

Wie habt ihr euer erstes Workcamp erlebt und gab es dabei unerwartete Momente, die eure Perspektive verändert haben?

Die Baucamps waren herausfordernd. Ein durchgehende Beschäftigung für alle Teilnehmenden zu gewährleisten. Die Verpflegung immer pünktlich und vor allem für alle Geschmäcker sicherzustellen. Die Verantwortung für eine so große Gruppe von Menschen, die teilweise gar nicht die Sprache vor Ort sprachen zu tragen. Und gleichzeitig in unserer Organisation kaum fest angestellte Arbeitskräfte zu haben. Viele Ehrenamtliche mit diesen Aufgaben zu betreuen. Zu lernen, wie die jungen Teilnehmenden so “ticken”, wie belastbar sie sind oder eben nicht.

Unerwartet war tatsächlich der Hunger nach fleischbasierter Ernährung (bei beiden Baucamps).

Gab es während eurem ersten Workcamp etwas, das ihr besonders herausfordernd fandet, und wie habt ihr diese Herausforderung gemeistert?

Ich fand herausfordernd, dass die Teilnehmenden sich nicht so leicht motivieren ließen sich aktiver in die Gruppenfindung zu integrieren. Wir haben dann darauf verzichtet, die Teilnehmenden zu motivieren, sich gegenseitig mehr kennenzulernen. Es gab zwischen den Kontaktfreudigen dann auch genug andere Gelegenheiten miteinander zu sprechen – auch außerhalb der Arbeitszeiten.


Fragen zu interkulturellen Aspekten:

Gab es besondere Begegnungen, die euch nachhaltig beeinflusst haben?

Ja bestimmt. Aber ich kann gerade keine Begegnung einzeln beschreiben.

Was denkt ihr persönlich, welche Vorteile die Integration von Menschen aus verschiedenen Kulturen für Workcamps hat?

Vor allem das gegenseitige Kennenlernen anderer Herangehensweisen. Und selbst zumindest das Kennenlernen anderer Ess- und Kochgewohnheiten. Kulturelle Begegnung ist immer hilfreich für das Verständnis untereinander.

Fragen zu den Ökologischen Aspekten und den Bauprojekten:

Welche Materialien oder Techniken haben euch während des Bauprozesses besonders beeindruckt und warum? Gab es eine Technik, die ihr mit nach Hause genommen habt?

Zwar nicht als Teil des Baucamps, aber die Vielseitigkeit und Ökobilanz des Baustoffs Kalk hat mich nachhaltig beeindruckt. Dies will ich bei zukünftigen Baucamps mehr einsetzen.

Fragen zur langfristigen Wirkung und der Rolle der Freiwilligen:

Wie seht ihr die langfristige Wirkung der Baucamps auf das Projekt? Habt ihr dadurch Beziehungen oder Netzwerke entwickelt, die über die Bauprojekte hinausgehen?

Ja, zum Beispiel die Unterbringung im nahgelegenen Portside Hotel wurde auf Tauschleistung vereinbart. Dort wurden Zimmer angestrichen, dafür konnten die Teilnehmenden umsonst wohnen.

Fragen zur Unterstützung durch die Dorfgemeinschaft und Visionen für die Zukunft:

Wie erlebt ihr die Unterstützung durch die lokale Bevölkerung?

Ganz gut. Aber besonders mit Handwerksbetrieben können  wir uns stärkere Unterstützung vorstellen.

Was bedeutet es für WERK, solche internationalen Baucamps zu haben? Wie hat es sich verändert, seit die ersten Freiwilligen kamen?

 Es ist ein wichtiger Teil geworden, weil wir erstens den internationalen Austausch pflegen wollen und gleichzeitig ist der bauliche Fortschritt in einem zweiwöchigen Zeitraum natürlich enorm. Viel stärker als bei den “kleinen” Bauaktionen, die wir regelmäßig mit Freiwilligen vor Ort machen. Diesen Fortschritt zu sehen ist natürlich zufriedenstellend.

Was sind eure persönlichen Hoffnungen und Ziele für die Zukunft des Projekts in Bremerhaven, und wie könnten die nächsten Baucamps dabei eine Rolle spielen?

Wir wollen mit den Baucamps die Struktur für Baucamps (und ähnliche Angebote) verbessern: Wir wollen im Haus Gästewohnung/Unterbringung schaffen. Wir können uns vorstellen ein Anlaufpunkt für Besucher*innen zu sein, die Bremerhaven kennenlernen wollen und für Wochen oder Monate hierbleiben. Mitarbeiten und sich weiterentwickeln wollen. Dabei sind die Baucamps hilfreich. Sie helfen außerdem dabei die Techniken die wir gelernt haben zu vertiefen, indem wir sie anderen Personen zeigen.

Mit den Baucamps wollen wir außerdem Treffmöglichkeiten für lokale Engagierte schaffen. Also dass dann interessierte Menschen und solche, die ihr Kontaktnetzwerk erweitern wollen (Geflüchtete, Neuangekommene, etc), zu uns kommen und bei den Aktionen andere kennenlernen und Spass haben vor Ort.

Fragen zur Reflexion und zum Austausch von Ideen:

Welche persönlichen Veränderungen habt ihr in eurer Denkweise oder eurem Verhalten erfahren, seit ihr im WERK arbeitet?

Kann ich nicht genau sagen. Gelassener mit Chaos und Offenheit umzugehen.

Gibt es etwas, das ihr gern an andere Menschen weitergeben würdet, die darüber nachdenken, an einem interkulturellen Projekt wie dem WERK teilzunehmen?

Traut euch, schaut vorbei. Auch nur für wenige Tage. Von Außen sieht es manchmal einschüchternd aus oder exklusiv (nur junge Leute), aber tatsächlich gibt es viel Freiraum etwas zu probieren und etwas zu lernen. Und das Essen schmeckt immer gut 🙂


Danke schön!!! 🙂